Aus "Siegerländer Haubergswirtschaft" von Forstdirektor Alfred Becker
Zu 2: Geschichte der Haubergswirtschaft
1: Eisenerz und Kohlwald
Vor 2500 Jahren begann in Mitteleuropa ein neues Zeitalter:
Eisen wurde als Rohstoff entdeckt.
Werkzeuge und Gerätschaften aus Eisen erwiesen sich als wirkungsvoller als solche aus Bronze.
Zudem war Eisen technisch leichter herzustellen.
Auf ihrer Wanderung nach Norden kamen Kelten auch in das Siegerland.
Dort treten Eisenerzadern bis an die Oberfläche.
Die Kelten wußten, wie man mit großer Hitze aus Erz Eisen gewinnt.
Und da das hier gewonnene Eisen von besonderer Härte war, blieben die Eisenleute - solange die Energie reichte.
In Meilern machten sie Holz zu Holzkohle ohne die kein Eisen zu gewinnen war.
Die damals vorherrschenden Buchenwälder haben das nicht überlebt.
Ist die Buche einmal gefällt, schlägt sie nur schlecht aus dem alten Wurzelstock aus.
Besser können das Eiche und Birke.
Die Eisenleute sorgten dafür, dass auch die Eichen und Birken nicht recht groß wurden, denn zum Verkohlen reichte Armdicke.
So wurde aus dem Buchenhochwald ein Eichen-Birken-Niederwald.
Doch nach 600 Jahren war auch dieser Wald weg. Das Siegerland war kahl.
Die Eisenleute mußten weiterziehen.
Der Wald brauchte 800 Jahre, um sich von diesem Schlag zu erholen.
Als er wieder ein Buchenwald war, waren es diesmal die Franken, die das Erz abbauten und die Bäume abtrieben.
Wieder wurde aus dem Hoch- ein Niederwald, wieder setzten sich Eiche und Birke durch, wieder wurden die Kahlflächen immer größer.
Kurz bevor die Menschen den Wald erneut vernichtet hatten, besannen sie sich eines Besseren.
Sie entwickelten eine Ordnung, deren wichtigster Grundsatz „Nachhaltigkeit“ heißt.
Er besagt, dass man nur so viel aus der Natur entnehmen darf, wie in dieser Zeit nachwächst.
Wer diesen Grundsatz nicht beachtet, gefährdet zukünftige Generationen.
Als Form der nachhaltigen Bewirtschaftung entwickelte sich der Siegerländer Hauberg.
Es war ein Eiche-Birke-Niederwald im Besitz von Genossenschaften.
Die Waldfläche wurde in 20 Parzellen aufgeteilt. Pro Jahr durfte nur eine Parzelle zur Verkohlung genutzt werden.
Die Produktion von Holzkohle war nun begrenzt. Man wurde erfinderisch in Nebennutzungen:
So wurden Teile des Haubergs im Laufe des 20-jährigen Zyklus zum Spender von Eichenlohe zur Lederherstellung, zum Acker für Buchweizen und Roggen zur Mehlgewinnung, zur Weidefläche für Kühe.
Dann kam mit der Steinkohle und der Eisenbahn eine andere Energie ins Siegerland und bald darauf kam der Erzbergbau wegen zu hoher Kosten zum Erliegen.
Viele Wälder wuchsen wieder zu Hochwäldern, aber vielerorts sieht man immer noch den Niederwald, der einst ein Kohlwald war.
Zu 1: Eisenerz und Kohlwald
2: Geschichte der Haubergswirtschaft
Bodenqualität, Oberflächenstruktur und Klima ließen im Siegerland eine rein landwirtschaftliche Nutzung nicht zu. Das eisenschaffende Gewerbe, Hütten- und Hammerwerke, bestimmten die Wirtschaftsstruktur der Region. Eine der für Hochöfen und Frischfeuer benötigten Energien lieferte die Holzkohle aus dem Niederwald.
Vorrömische Eisenzeit: Pollenanalytische Untersuchungen haben gezeigt, daß das Siegerland zu dieser Zeit mit Niederwald bestanden war. Eine Nutzung in Form der Haubergswirtschaft läßt sich daraus aber nicht ableiten.
14.-15. Jahrh
Waldfeldwirtschaft, die Jahn-Verfassung sowie genossenschaftlicher Haubergsbesitz sind von da an aus den Urkunden zu erschließen.
1562
Holz- und Waldordnung. Die erste, die ausdrücklich für gemeindliche, kirchliche und private Hauberge Gültigkeit besaß. Ihr Hauptanliegen galt der Einschränkung der Viehhude, wegen des starken Verbisses, zugunsten der Holznutzung. Ziegenhude war seitdem im Hauberg verboten.
1.Mai 1711
Forst- und Holzordnung, die sogenannte güldene Jahnordnung, wird von dem Nassau-Siegener Fürsten Friedrich Wilhelm Adolf verkündet. Das Anliegen dieser Regelungen war die Sicherstellung des Hokzkohlebedarfs der Hütten- und Hammerwerke. Allerdings wiederholt diese lediglich frühere Haubergsordnungen, sie ist also keine Neuschöpfung, sondern eher Abschluß jahrhundertelanger Entwicklungen und gesetz-geberischer Bemühungen.
1800
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Vielfalt der Haubergsbäume, wie Wildkirsche, Wildapfel, Hasel, Weide, Holunder, Eberesche, Buche, Erle und Ahorn zugunsten der Eiche verdrängt. Die Eiche wurde zum Brotbaum, durch Kohlholz und Eichenrinde wurde reicher Gewinn erwirtschaftet.
1834
bestätigt die erste preußische Haubergsordnung die Unteilbarkeit der Hauberge, “während in den übrigen westlichen Provinzen das Gesetz über die Gemeinheitsteilung vom 7. Juni 1821 zur Aufteilung und damit zur Zerstörung des alten genossenschaftlichen Waldbesitzes führte.”
1861
Nach der Eröffnung der beiden Eisenbahnlinien im Siegerland veränderten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse grundlegend. Die Haubergswirtschaft verlor ihre bis dahin wichtigste Funktion als Energielieferant. Der parallele Bedeutungszuwachs der Eichenschälwirtschaft milderte die wirtschaftlichen Folgen dieses Strukturwandels.
1879
Die Haubergsordnung vom 17. März 1879 nahm erstmals Rücksicht auf die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten. Soweit dringende Gründe des landwirtschaftlichen und gewerblichen Bedürfnisses oder des Verkehrs es erforderlich machten, durften einzelne Haubergsflächen ausnahmsweise anders genutzt werden. Umwandlung von Hauberg in Hochwald oder Weideland war jetzt möglich. Für den Straßen- und Wohnungsbau durften Haubergsflächen veräußert werden.
Die enge Verflechtung der Haubergswirtschaft mit der Siegerländer Gesamtwirtschaft löste sich mehr und mehr auf. Die dem Siegerländer zur zweiten Natur gewordene, d.h. verinnerlichte Gemeinsamkeit der Zeiteinteilung des Jahres, die seit Menschengedenken durch die gleichzeitige Haubergsarbeit vorgegeben war, ging verloren.
1975
Das Gesetz über den Gemeinschaftswald im Lande Nordrhein-Westfalen vom April 1975 löste die Siegerländer Haubergswirtschaft im herkömmlichen Sinne endgültig ab.
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